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116. Boston-Marathon, 16. April 2012

30.04.2012 Laufbericht

„It’s an experience, not a race!“

Von Hilde Fässler, 26.4.12

Der Boston-Marathon gehört zu den ältesten Marathon-Läufen weltweit. Nach der tollen Erfahrung am New York-Marathon im November 2010 dachte ich mir, ich könnte mich ja mal noch an den anderen berühmten US-Marathon wagen. Nachdem es mir gelungen war, Cornelia zum Mitkommen zu überreden, war der Entschluss zu einem Start bereits Anfang 2011 gefasst. Ich ergatterte mir mit meiner Zeit von New York die Qualifikation und fand auch einen Startplatz für Cornelia. Diese Plätze sind sehr rar: Während die Schweizer Reiseveranstalter für New York mehrere Hundert Plätze anbieten können, sind es für Boston nur etwa ein Dutzend.

Der Boston-Marathon findet immer am dritten Montag im April statt. Dann wird in Boston und Umgebung der „Patriots‘ Day“ gefeiert. So flogen Cornelia und ich am 14. April Richtung USA, um dann am 16. an den Start zu gehen. Was ich anfangs 2011 geplant hatte, konnte ich leider im Training 2012 nicht umsetzen. Meine Achillessehne plagte mich ja schon seit Monaten und liess ein gutes Training nicht zu. Zudem dämpften mich die Medikamente nach meinem Herzeingriff im Januar. Aber man kann ja auch über den Grossen Teich fliegen, um als Zuschauerin einen Marathon zu verfolgen, dachte ich mir. An Absage der Reise verschwendete ich keinen Gedanken, denn ich könnte ja Cornelia als Supporterin unterstützen, war meine Überlegung. Da ich in den letzten vier Wochen doch wieder eine Stunde und mehr laufen konnte, legte ich mir im Kopf zurecht, an den Start zu gehen, um die Atmosphäre zu erleben und in der Rennhälfte dann auszusteigen.

Schon im Vorfeld schaute ich immer wieder die Wettervorhersage für den Renntag an. Zuerst war von 23o die Rede. Na ja, etwas warm, aber nicht schlecht. In Boston angekommen hiess es dann schon 28o, am Tag vor dem Lauf lautete die Prognose auf über 30o. Die Organisatoren verlängerten daraufhin die Schliesszeit von 6 auf 7 Stunden und boten den Qualifizierten an, sie auch 2013 an den Start zu lassen, wenn ihnen die Temperatur zu warm erschien. Das kam aus verständlichen Gründen für viele aus dem Ausland Angereiste und so auch für Cornelia und mich nicht in Frage. Zudem gaben die Organisatoren als Devise heraus: Viel trinken, den Schatten suchen (war allerdings schwierig), das Tempo anpassen, kurz: „It’s an experience, not a race!“ Nehmt es als Erfahrung, nicht als Rennen.

Montag, Renntag: 90oFahrenheit, das entspricht 32oCelsius!
Resultat: 4000 starteten nicht, rund 900 gaben auf, rund 170 landeten im Spital und 21606 kamen innerhalb der 7 Stunden ins Ziel.

Die Strecke geht von Hopkinton, einem Dorf 42km ausserhalb von Boston über Landstrassen – immer geteert – nach Boston downtown. Auch wenn der Kurs insgesamt abwärts geht, ist er doch ziemlich coupiert und hat nicht nur beim „Heartbreak-Hill“ einige Steigungen. Ausser dort, wo man einem See, dem Lake Cochituate entlang läuft, ist die Strecke eher langweilig. Abwechslung bieten einige Stellen mit speziellen Zuschauern oder besser Zuschauerinnen. Beim Mädchenkollege von Wellesley stehen nämlich reihenweise kreischende junge Frauen am Rand, die die Läufer mit selbstgemalten Schildern mit der Aufforderung „Kiss me“ auf Abwege bringen wollen. In Boston selbst hat es dann auch richtig viele Zuschauer, die einen anfeuern, auch noch auf den letzten Metern und auch jene, die 7 Stunden unterwegs waren.

Und was machten die beiden Lauf-Treff BUCHS Vertreterinnen? Mit Aufhören in der Hälfte wurde nichts. Cornelia motivierte mich zum Weitermachen. 13 Meilen sind allerdings sehr weit, wenn man schon total ausgepumpt und von der Sonne leicht geröstet ist. Ich schaffte es ins Ziel mit Marschieren und leichtem Traben, wenn es abwärts ging. Cornelia hatte natürlich noch viel Reserven und Zeit zum Fotografieren, Spässe machen – und bei Meile 23 für einen Einkauf im 7-Eleven-Shop. Die beiden Coke-Flaschen, die sie dort für uns einkaufte, retteten mich schliesslich ins Ziel: Meile 26.2 in 5h38‘11‘‘.

So wurde der Lauf zu einem einmaligen Erlebnis. Nie habe ich so viel Wasser und Gatorade getrunken, nie habe ich jeden Wasserschlauch und jedes Duschzelt zur Abkühlung benutzt, noch nie einen solchen Sonnenbrand eingefangen und nie hätte ich gedacht, das Ziel zu erreichen mit fast 2000 Leuten noch hinter mir. Übrigens, die Siegerzeit war mit 2h12‘ neun Minuten langsamer als im Vorjahr. Und niemand hat wohl einen persönlichen Rekord laufen können. Für viele wie für Cornelia und mich war es ein Erlebnis, kein Rennen.

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